Villa Himmelrich
Woher hat das Himmelrich seinen Namen? Und was ist das für ein seltsames Türmchen, das die niedrigen Gewerbebauten an der Bundesstrasse und der Himmelrichstrasse überragt? Eine lockere Serie von Beiträgen mit dem Label „In der Nachbarschaft“ geht solchen Fragen nach.

Das neckische Türmchen sitzt auf dem Dach der Villa Himmelrich an der Obergrundstrasse 61. Der herrschaftliche Landsitz im Rokokostil wurde 1772 für Franz Placidus Schumacher errichtet. Die repräsentative Villa mit ihrem Barockgarten stand vor den Toren der Stadt an der Landstrasse von Luzern nach Nidwalden. Als mit der Stadterweiterung im frühen 20. Jahrhundert das Neustadtquartier entstand, wurde die Villa Namensgeberin für die Himmelrichstrasse und drei abl-Siedlungen.
Luzern entdecken — Spaziergänge in Luzern und Umgebung
2019 erschien im Werd-Verlag die 5. überarbeitete Auflage des Stadtführer Luzern (2001).

Der Bauherr und sein Sohn Franz Xaver waren gebildete und wissenschaftlich interessierte Vertreter des Patriziats. Auf ihrem Landsitz machten sie wissenschaftliche Versuche, u.a. mit Heissluftballonen und Blitzableitern. Dabei diente ihnen das seltsame Türmchen auf dem hohen Mansardendach als Observationstürmchen. Sein heutiges Erscheinungsbild mit dem klassizistischen Mittelrisalit erhielt der stattliche Rokokobau bei der Umgestaltung 1828 nach einem Besitzerwechsel. Nach zahlreichen baulichen Veränderungen wurde vor einigen Jahren die Gebäudehülle letztmals renoviert.
Das Himmelrich stand einst auf der grünen Wiese (PDF)
Der vierseitiger Artikel von René Regenass im abl-Magazin 02/09 (S. 10ff.) ist eine gründliche Recherche zur Himmelrich-Geschichte.

„Wieso baut hier keiner?“
fragte zentralplus am 16.4.2016 in einem Artikel über die Villa Himmelrich mit Parkanlage sowie den grossen Parkplatz an der Moosstrasse, der ebenfalls zum Areal gehört und 1976 wegen eines Grossbrands zu einer innerstädtischen Brache wurde. Besitzerin all dieser Grundstücke war damals noch Marie-Mathilde Freuler-Bühler (1912-2016), die den Landsitz Himmelrich von ihrem Vater, dem konservativen Regierungsrat Franz Josef Bühler, geerbt hatte. Dass die ehemalige Journalistin und katholischen Vorkämpferin für das Frauenstimmrecht in der Schweiz in ihrem hohen Alter keine neuen Projekte mehr anreissen würde, war klar. „Ich rechne damit, dass ihre Erben das Land dereinst verkaufen wollen“, sagte der ehemalige Luzerner Denkmalpfleger André Meyer zum Parkplatz-Grundstück.
Während das Gebäudeensemble aus der Rokokozeit denkmalgeschützt ist, wäre es allenfalls möglich, die niedrigen Reversbauten, die den Park zur Bundes- und Himmelrichstrasse hin begrenzen, abzubrechen und im Park ein zusätzliches Gebäude zu bauen, dazu bräuchte es aber einen Gestaltungsplan und wahrscheinlich auch einen Architekturwettbewerb. Zur Frage, ob dereinst auch der Park überbaut wird, meinte Stadtarchitekt Jürg Rehsteiner: „Man muss sich an das mögliche Mass der Bebauung herantasten.“ Ex-Denkmalpfleger André Meyer fand das keine gute Idee: „Der Park ist ein integraler Bestandteil des denkmalgeschützten Hauses und soll nicht überbaut werden!“ Vier Jahre nach dem Bericht von zentralplus ist noch alles beim Alten: Der Park ist ein Park und der Parkplatz ein Parkplatz, sogar im Grundbuch ist die verstorbene Marie-Mathilde Freuler-Bühler immer noch als Alleinbesitzerin eingetragen.
Artikel vom 18.4.2016 auf zentralplus

Rundgang durchs Piano Nobile
Nur im Haus selber hat sich etwas getan: Im Erdgeschoss bietet die Treuhandgesellschaft MOORE LUZERN massgeschneiderte Dienstleistungen in den Bereichen Wirtschaftsprüfung, Steuer- und Unternehmensberatung sowie Finanzadministration an. Das Piano Nobile im 1. Obergeschoss, wo in vornehmen Häusern des Rokoko die Repräsentations- und Festräume waren, wurde 2016 in eine „Prachtvolle 6.5 Zimmer-Wohnung für Historik-Liebhaber“ (Wohnungsinserat) umgebaut. Die Luxuswohnung mit 230 qm Fläche wird zur Zeit für satte 7‘900 Franken (inkl. Nebenkosten) zur Miete angeboten.
Im Inserat heisst es weiter: „Der prächtige Saal mit Ornamenten und Stuckaturen sowie die originalen Wandspiegel lassen Sie auch heute noch in Staunen versetzen. Die imposanten Raumhöhen und die fantastischen Details bilden ein einmaliges Wohnerlebnis. Weiter bietet Ihr neues Zuhause einen eigenen Gartensitzplatz mit Gemüsebeet (in der 5’300 qm grossen Parkanlage), eine private Garagenbox und eine Kapelle zur Mitbenutzung. Ein Lift sowie Strom-, Telefon- und Internetanschlüsse in jedem Zimmer sind genauso selbstverständlich wie die moderne Küche.“
Wer noch nicht restlos überzeugt ist, darf gerne einen unverbindlichen Rundgang machen:
Begriffserklärung auf Wikipedia
Spannender Artikel. Vielen Dank Hansruedi!
Lieber Hansruedi, danke für den spannenden Bericht. Offen bleibt ja immer noch die Frage, warum die Villa Himmelrich hiess. Recherchierst du weiter?? Meine Neugier ist nich ungestillt 🙂
Liebe Anna, Dein Stupser hat mich dazu gebracht, weiter zu forschen. Gefunden habe ich folgendes:
«Himmelrich» als Ortsname ist gar nicht selten — auf ortsnamen.ch gibt es in der Schweiz 50 Treffer. Manchmal bezeichnen sie im Sinn von «reich an Himmel» aussichtsreiche Lagen, wie Abhänge oder Weinberge. Das gilt auch für die Villa Himmelrich, wie ein Blick auf den Kupferstich zeigt.
Das Beste, was ich gefunden habe, ist ein vierseitiger Artikel von René Regenass im abl-Magazin 02/09 (S. 10ff.) mit dem Titel Das Himmelrich stand einst auf der grünen Wiese (PDF). Der Autor hat die Himmelrich-Geschichte gründlich recherchiert. So wurde bereits im Mittelalter vom Landgut Himmelrich gesprochen, Franz Placidus Schumacher, der Bauherr der Villa, war also nicht der Namensgeber. Regenass schreibt, Himmelreich habe viel mit Aussicht zu tun, was sich aber historisch nicht belegen lasse.
Im Artikel ist ausserdem zu lesen, warum Bleicherstrasse und Bleichergärtli so heissen. Neu und interessant für mich war, dass der in meinem Beitrag bzw. im zentralplus zitierte Ex-Denkmalpfleger André Meyer mit Christine Freuler, der Tochter der 2016 verstorbenen Himmelrich-Besitzerin Marie Mathilde Freuler-Bühler, verheiratet ist. Er hat also an der Frage, wie es mit dem Himmelrich-Park weitergehen soll, ein gewisses familiäres Interesse.
Lieber Hansruedi
Ich habe mich schon oft gefragt, wem diese Liegenschaft gehört,
nun weiss ich es, dachte, dass das ein Bürohaus ist.
Diese Wohnung ist ja traumhaft nur sollte man/frau das nötige Kleingeld haben……
Hoffe sehr, dass dieses wunderbare Haus bestehen bleibt.
Herzlichen Dank für deine Recherchen.
Merci vielmals, Hansruedi, für deine Recherchen. Sehr interessant!
Ich hab auch noch etwas persönliches beizufügen. Als Kind , so in den 60 Jahren, meine Grosstante Christine mit ihrer Familie im kleinen Häuschen rechts von der Villa. Einmal im Jahr, nämlich wenn der Fritchiumzug stattfand,
fuhren die Eltern mit uns 4 Kindern im VW Käfer an die Fasnacht nach Luzern. Völlig durchgefroren und müde besuchten wir anschliessend Tante Christine im Himmelrich. Ich hatte dies alles irgendwie vergessen. Als wir ins Himmelrich 3 zogen, kam mir alles wieder in den Sinn. Ich liebte diese Besuche!! Vielleicht hat ja dieses Kindererlebnis meinen Wunsch geweckt, nach Luzern, ins Himmerlrich zu ziehen und ist mit ein Grund, wieso ich die Fasnacht so liebe. Leider ist Tante Christine längstens verstorben, meine Eltern auch. Meine Geschwister erinnern sich nur vage. So hab ich nur meine Erinnerung und die ist einfach wunderbar.
Merci Hansruedi, dass ich von dir noch die Entstehungsgeschichte der Villa erfahren durfte, denn die war in meiner Kindheit kein Thema. Ich fühlte mich als Kind schon im Nebenhäuschen im Himmel!!
Barbara Wermelinger
Merci fürs Echo. Freut mich, dass mein Blog über die Villa Himmelrich auf Interesse gestossen ist.