Urgrossmutter feiert 100 Jahre
Am 23. Mai 1924 wurde im Hotel Concordia die Allgemeine Baugenossenschaft Luzern gegründet. Letzten Samstag feierte die rüstige Urgrossmutter ihren 100. Geburtstag mit einer Jubiläums-GV und einem grossen Fest. Happy Birthday, liebe abl!

Ich möchte hier keinen ausführlichen Matchbericht abliefern, vorab aber festhalten: Es war ein gut organisiertes, sehr schönes Jubiläumsfest, das allen etwas zu bieten hatte: eine GV mit einem Hauch Landsgemeinde für die Mitglieder, dann Anstossen auf unsere 100jährige Jubilarin, Zmittag, Reden und Musik für die Festgemeinde, ein Spielmobil und ein Konzert für Familien mit Kindern, aber auch Bingo und Spoken Word und schliesslich Musik im Innenhof bis in die Nacht. Danke, liebe abl!
Das Jubiläumsfest als Film
Sam Aebis filmische Kurzfassung auf Instagram
Das Jubiläumsfest in Kurzfassung

Die abl-Landsgemeinde
Durch die 100. Generalversammlung der abl, die open air in unserem Innenhof durchgeführt wurde, wehte ein Hauch von Landsgemeinde, war es doch an diesem Samstagmorgen temperaturmässig recht frisch. Routiniert und zügig führten der an der letzten GV gewählte abl-Präsident Marcel Budmiger, der neue abl-Geschäftsführer Armando Wigger sowie die GPK-Obfrau Martina Ulmann durch die Traktanden. Spannung kam erst auf, als sich zwei Kandidaten für den frei gewordenen Vorstandssitz im Ressort Finanzen vorstellten — zu meiner Überraschung vermochte der jüngere Kandidat Matthias Aufdermauer mit seinem frischen Auftritt die Mehrheit der anwesenden abl-Mitglieder zu überzeugen.
Die 100. GV der abl
Bericht über die GV und das Jubiläumsfest
55.2 Mio. für 92 Wohnungen
Am Schluss der GV stellte Armando Wigger das nächste Projekt der abl vor: Die abl will auf dem städtischen ewl-Areal 92 Wohnungen realisieren. Zu reden gab das Projekt, weil der benötigte Rahmenkredit von 55.2 Millionen Franken kein Klacks ist, die prognostizierten Mieten sehr hoch sein werden und das 1975 erstellte ewl-Geschäftsgebäude abgebrochen werden muss, damit das ambitionierte Bauprogramm umgesetzt werden kann. Falls sowohl die Stimmbürger:innen der Stadt Luzern als auch die Genossenschafter:innen der abl der Finanzierung zustimmen, wird die abl zugleich Mitbesitzerin, Mieterin und Bauherrin des Projekts «Rotpol». Denn die abl ist dann mit 15 Mio. an der ewl Areal AG beteiligt, mietet für 27.9 Mio. den Rohbau während 20 Jahren und realisiert als Bauherrin für geschätzte 14.3 Mio. den Innenausbau ihrer 92 Wohnungen.
Dazu schrieb Stefan Dähler in der LZ vom 28.5.2024: «Das Projekt ist hochkomplex und teuer – dafür erhält Luzern aber ein attraktives neues Quartier.» Und weiter: «Begeisterung sieht anders aus: Zwar hat das Stadtluzerner Parlament den 152-Millionen-Kredit zugunsten der Neuüberbauung des EWL-Areals im Frühling deutlich bewilligt – und damit ermöglicht, dass am 9. Juni das Stimmvolk darüber entscheiden kann. Dennoch wurde auch einiges an Kritik am Projekt geäussert.» Sein Fazit nach Abwägung aller Plus- und Minuspunkte: «Trotz Schwachpunkten überwiegen die Vorteile.» Ausserdem sei bei einem Nein wenig gewonnen, das Feuerwehrgebäude müsse ohnehin saniert und ausgebaut oder ersetzt werden. Auch fürs EWL-Areal wäre ein neues Projekt nötig, was mit jahrelangen Verzögerungen verbunden wäre.
Zwei Abstimmungen:
Urnengang vom 9. Juni 2024
Die Stadt Luzern stimmt u.a. über die Finanzierung das ewl-Areals ab.
Urabstimmung bis 15.6.2024
Die abl-Mitglieder stimmen über den Rahmenkredit von 55.2 Millionen ab.

Zu hohe Mieten?
Im Gespräch mit abl-Vertreter:innen über die Kritik, die im ewl-Areal geplanten Wohnungen würden zu teuer, ist das gängige Gegenargument: Neubauwohnungen sind nicht nur bei der abl teuer, aber im Gegensatz zu Wohnungen auf dem freien Markt werden abl-Wohnungen im Lauf der Zeit nicht teurer, sondern vergleichsweise billiger. Beispiel Tribschenstadt: 2006 bei der Fertigstellung der Siedlung wurde die abl für die hohen Mieten kritisiert. Heute kostet dort der Quadratmeter in einer 4½-Zimmer-Wohnung 17.29 Franken pro Monat, also nur gut 15% mehr als der abl-weite Schnitt von 14.96 Franken pro Quadratmeter in 4- bzw. 4½-Zimmer-Wohnungen (Zahlen aus dem abl-Geschäftsbericht 2023).
Interessant fand ich ein weiteres Gegenargument: Die Beispielmieten, die in der Urabstimmungsbroschüre (PDF) aufgelistet werden, basieren zwar auf dem Kostenstand vom 1.1.2024, prognostizieren aber mit einer Genauigkeit von +/- 10% die Kostenmieten bei Bezug der Wohnungen im Jahr 2032. Falls also die allgemeine Mietzinsentwicklung so weiter geht wie bis anhin, kann es durchaus sein, dass diese Mieten im ewl-Areal, die heute mit monatlich 24.70 bis 26.64 Franken pro Quadratmeter (4½-Zimmer-Wohnung exkl. NK) als überrissen hoch erscheinen, dannzumal immer noch (zu?) hoch sein werden, aber vergleichsweise in einem zahlbaren Bereich liegen.
Zahlen & Fakten:
Urabstimmungsbroschüre zum ewl-Areal
Rahmenkredit «Realisierung von 92 abl-Wohnungen auf dem ewl-Areal» von 55.2 Millionen Franken (PDF)

Stolz auf 100 Jahre
Ein Jubiläum ist immer auch eine Gelegenheit für stolze Selbstdarstellungen — ich bin froh, ist «100 Jahre abl» weniger pompös ausgefallen als «20 Jahre ABL». Kann sein, dass es 1944, mitten im 2. Weltkrieg, für die gerade erwachsen gewordene ABL (damals noch in Grossbuchstaben) besonders wichtig war, ihre Leistungen in den ersten 20 Jahren herauszustreichen: Die noch junge ABL hatte von 1924 – 1944 rund 1000 Wohnungen erstellt, was etwa 46% des heutigen Bestands entspricht — die ABL konnte damals auf eine bis dato unerreichte Wohnbautätigkeit stolz sein. Aber auch damals löste der Bau von «Mittelstandswohnungen» auf der Himmelrichmatte Kontroversen aus: In Zeiten anhaltender Wohnungsnot störte sich die Stadtregierung an der Praxis der ABL, Kapitaleinlagen von Mietern zu verlangen. 1927 hatten diese 1600 Franken für eine Dreizimmer- und 2000 Franken für eine Vierzimmerwohnung einzubezahlen – dies bei durchschnittlichen Jahres-Mietzinsen von 980 bzw. 1200 Franken (vgl. www.hirschmatt-neustadt.ch).
Festreden gehören zu einem Jubiläum, und wenn die Jubilarin schon 100 Jahre auf dem Buckel hat, darf sie auch stolz darauf, was sie geleistet hat. Marcel Budmiger, Präsident der abl (die Kleinbuchstaben sind schon ein bisschen Understatement), machte einen kurzen Ausflug in die Geschichte der abl, bedankte sich bei allen, die zum Gedeihen der grössten Baugenossenschaft Luzern beigetragen haben, und wagte einen zuversichtlichen Blick in die Zukunft. Dann durfte er drei Gratulant:innen ankünden:
- Stadtpräsident Beat Züsli betonte die wichtige Rolle der Baugenossenschaften, insbesondere der abl, für das Erreichen des Ziels, das die Stimmbürger:innen der Stadt Luzern 2012 beschlossen haben: 16 Prozent gemeinnützige Wohnungen bis 2037 (Wohnraumpolitik der Stadt Luzern). Aktuell sind wir bei 13.8 Prozent angelangt (2. Controllingbericht zur städtischen Wohnbaupolitik als PDF).
- Regierungsrätin Ylfete Fanaj verglich die abl mit einer rüstigen Urgrossmutter, die sich schon lange um ihre Familie kümmert — die abl-Familie ist mit bald 15’000 Genossenschafter:innen mittlerweile ziemlich gross. Ylfete Fanaj gratulierte der vitalen Jubilarin zum 100. Geburtstag und wünschte ihr alles Gute für die nächsten 100 Jahre. Ein schönes Bild!
- Peter Schmid, Vizepräsident von Wohnbaugenossenschaften Schweiz, dem Dachverband der gemeinnützigen Wohnbauträger, gratulierte der grössten Baugenossenschaft der Zentralschweiz und lobte die langjährige Zusammenarbeit der abl mit dem Verband (die rund 1’270 Mitgliedsorganisationen besitzen über 170’000 Wohnungen in der ganzen Schweiz).
Die Anfänge der ABL
Die ABL auf der Himmelrichmatte
Die Geschichte der «Mutterkolonie» der ABL auf der Homepage des Quartiervereins Hirschmatt-Neustadt
