Villa Himmelrich

Villa Himmelrich

Woher hat das Himmelrich seinen Namen? Und was ist das für ein seltsames Türmchen, das die niedrigen Gewerbebauten an der Bundesstrasse und der Himmelrichstrasse überragt? Eine lockere Serie von Beiträgen mit dem Label „In der Nachbarschaft“ geht solchen Fragen nach.

Was ist das für ein seltsames Türmchen, das die niedrigen Gewerbebauten an der Bundesstrasse überragt?

Das neckische Türmchen sitzt auf dem Dach der Villa Himmelrich an der Obergrundstrasse 61. Der herrschaftliche Landsitz im Rokokostil wurde 1772 für Franz Placidus Schumacher errichtet. Die repräsentative Villa mit ihrem Barockgarten stand vor den Toren der Stadt an der Landstrasse von Luzern nach Nidwalden. Als mit der Stadterweiterung im frühen 20. Jahrhundert das Neustadtquartier entstand, wurde die Villa Namensgeberin für die Himmelrichstrasse und drei abl-Siedlungen.

Luzern entdecken — Spaziergänge in Luzern und Umgebung

2019 erschien im Werd-Verlag die 5. überarbeitete Auflage des Stadtführer Luzern (2001).

Der 1783 entstandene Kupferstich von Franz Xaver de Schumacher „Himmelreich — ein Edel-Sitz bey Lucern“ zeigt die Villa mit dem nach französischem Vorbild angelegten Garten und den beiden symmetrischen Nebenbauten, dem Gärtnerhaus und der Haus-Kapelle (Quelle: commons.wikimedia.org)

Der Bauherr und sein Sohn Franz Xaver waren gebildete und wissenschaftlich interessierte Vertreter des Patriziats. Auf ihrem Landsitz machten sie wissenschaftliche Versuche, u.a. mit Heissluftballonen und Blitzableitern. Dabei diente ihnen das seltsame Türmchen auf dem hohen Mansardendach als Observationstürmchen. Sein heutiges Erscheinungsbild mit dem klassizistischen Mittelrisalit erhielt  der stattliche Rokokobau bei der Umgestaltung 1828 nach einem Besitzerwechsel. Nach zahlreichen baulichen Veränderungen wurde vor einigen Jahren die Gebäudehülle letztmals renoviert.

Das Himmelrich stand einst auf der grünen Wiese (PDF)

Der vierseitiger Artikel von René Regenass im abl-Magazin 02/09 (S. 10ff.) ist eine gründliche Recherche zur Himmelrich-Geschichte.

Die Villa Himmelrich von oben, hinter der Villa die barocke Parkanlage und die niedrigen Gewerbebauten an der Bundes- und Himmelrichstrasse, links an der Moosstrasse die grosse Parkplatz-Brache, die ebenfalls zum Areal gehört (Bild von Google Maps auf www.zentralplus.ch).

„Wieso baut hier keiner?“

fragte zentralplus am 16.4.2016 in einem Artikel über die Villa Himmelrich mit Parkanlage sowie den grossen Parkplatz an der Moosstrasse, der ebenfalls zum Areal gehört und 1976 wegen eines Grossbrands zu einer innerstädtischen Brache wurde. Besitzerin all dieser Grundstücke war damals noch Marie-Mathilde Freuler-Bühler (1912-2016), die den Landsitz Himmelrich von ihrem Vater, dem konservativen Regierungsrat Franz Josef Bühler, geerbt hatte. Dass die ehemalige Journalistin und katholischen Vorkämpferin für das Frauenstimmrecht in der Schweiz in ihrem hohen Alter keine neuen Projekte mehr anreissen würde, war klar. „Ich rechne damit, dass ihre Erben das Land dereinst verkaufen wollen“, sagte der ehemalige Luzerner Denkmalpfleger André Meyer zum Parkplatz-Grundstück.

Während das Gebäudeensemble aus der Rokokozeit denkmalgeschützt ist, wäre es allenfalls möglich, die niedrigen Reversbauten, die den Park zur Bundes- und Himmelrichstrasse hin begrenzen, abzubrechen und im Park ein zusätzliches Gebäude zu bauen, dazu bräuchte es aber einen Gestaltungsplan und wahrscheinlich auch einen Architekturwettbewerb. Zur Frage, ob dereinst auch der Park überbaut wird, meinte Stadtarchitekt Jürg Rehsteiner: „Man muss sich an das mögliche Mass der Bebauung herantasten.“ Ex-Denkmalpfleger André Meyer fand das keine gute Idee: „Der Park ist ein integraler Bestandteil des denkmalgeschützten Hauses und soll nicht überbaut werden!“ Vier Jahre nach dem Bericht von zentralplus ist noch alles beim Alten: Der Park ist ein Park und der Parkplatz ein Parkplatz, sogar im Grundbuch ist die verstorbene Marie-Mathilde Freuler-Bühler immer noch als Alleinbesitzerin eingetragen.

Wieso baut hier keiner?

Artikel vom 18.4.2016 auf zentralplus

Die Villa Himmelrich an der Obergrundstrasse: früher herrschaftlicher Landsitz fürs Patriziat — und heute?

Rundgang durchs Piano Nobile

Nur im Haus selber hat sich etwas getan: Im Erdgeschoss bietet die Treuhandgesellschaft MOORE LUZERN massgeschneiderte Dienstleistungen in den Bereichen Wirtschaftsprüfung, Steuer- und Unternehmensberatung sowie Finanzadministration an. Das Piano Nobile im 1. Obergeschoss, wo in vornehmen Häusern des Rokoko die Repräsentations- und Festräume waren, wurde 2016 in eine „Prachtvolle 6.5 Zimmer-Wohnung für Historik-Liebhaber“ (Wohnungsinserat) umgebaut. Die Luxuswohnung mit 230 qm Fläche wird zur Zeit für satte 7‘900 Franken (inkl. Nebenkosten) zur Miete angeboten.

Im Inserat heisst es weiter: „Der prächtige Saal mit Ornamenten und Stuckaturen sowie die originalen Wandspiegel lassen Sie auch heute noch in Staunen versetzen. Die imposanten Raumhöhen und die fantastischen Details bilden ein einmaliges Wohnerlebnis. Weiter bietet Ihr neues Zuhause einen eigenen Gartensitzplatz mit Gemüsebeet (in der 5’300 qm grossen Parkanlage), eine private Garagenbox und eine Kapelle zur Mitbenutzung. Ein Lift sowie Strom-, Telefon- und Internetanschlüsse in jedem Zimmer sind genauso selbstverständlich wie die moderne Küche.“

Wer noch nicht restlos überzeugt ist, darf gerne einen unverbindlichen Rundgang machen:

Piano nobile bzw. Bel étage

Begriffserklärung auf Wikipedia

25. November 2020
Hansruedi Hitz