Nachbarschaftshilfe funktioniert

Nachbarschaftshilfe funktioniert

Es war nicht ganz einfach für Anita Schmidlin und Maria Winiger, jemanden für sich einkaufen zu lassen. Aber sie haben die Hi3-Nachbarschaftshilfenummer 077 438 99 23 genutzt und stellen fest: «Es funktioniert und zwar ausgezeichnet. Das gibt ein gutes Gefühl.»

Für Maria Winiger und Anita Schmidlin war die Corona-Nachbarschaftshilfe eine tolle Überraschung.

Anita Schmidlin (74) ist selber Mitglied der Gruppe Nachbarschaftshilfe im Hi3. Bei Ausbruch der Corona-Pandemie gehörten sie und ihre Partnerin Maria Winiger (auch Ü65) aber plötzlich nicht mehr zur Gruppe, die helfen konnte – sondern zu jener, die Hilfe in Anspruch nehmen sollte. «Das hat uns ziemlich verblüfft», sagt Anita. Gleichzeitig irritierte es sie zunehmend, dass Leute auf der Strasse sie merkwürdig anschauten. Oder dass sie ihre Kinder an die Hand nahmen, wenn sie kam. Auch wenn sie es vielleicht aus Rücksicht auf Anita taten – es verunsicherte sie. Maria fügt hinzu: «Dann lasen wir in der Zeitung, dass Mitglieder der Risikogruppe nicht mehr selber einkaufen sollten – da fühlten wir uns wie ‹renitente Alte›, wenn wir noch selber auf die Strasse gingen.» In der zweiten Woche des Shutdown schickten die beiden ein Whatsapp an die die Nummer 077 438 99 23. Es war die Nummer der Nachbarschaftshilfe Hi3. Diese hatte ihre Flyer unmittelbar nach Beginn des Shutdowns in allen Hauseingängen des Quartiers verteilt – sie versprachen Hilfe insbesondere beim Einkaufen.

«Wir fanden es eindrücklich und berührend, wie schnell die Gruppe um Daniel Misteli dieses Hilfsangebot auf die Beine gestellt hat», sagt Anita. Eine Antwort sei innert nützlicher Frist gekommen, einkaufen ging dann Regula Banz, beim zweiten Mal Jonas Wydler. «Es hat alles tiptop geklappt.» Die Helfer holten den Einkaufszettel und das Bargeld bei ihnen ab – und gingen zum Grossverteiler. Gemüse und Obst besorgten Maria und Anita selber – der Biohof von Mark Willimann, Triengen hatte eine kontaktfreie Verteilstelle im Neubad. Bestellt wurde online. Zweimal nahmen sie die Hilfe des Hi3-Angebots in Anspruch. Ein weiterer Aufsteller war, dass verschiedene jüngere Nachbar*innen Einkaufshilfe von sich aus anboten. «So kam es, dass Evi Redonda mehrmals für uns einkaufte.»

Bilanz: «Wir haben erfahren, dass in der Siedlung Nachbarschaftshilfe gelebt wird. Man schaut zueinander. Das gibt uns ein Gefühl der Zusammengehörigkeit.» Was beide besonders gerührt hat: «Alle, die für uns einkauften, versuchten bei grösserer Produkteauswahl dasjenige zu kaufen, von dem sie dachten, dass es zu uns passe.»

Insgesamt war die Hi3-Nachbarschaftshilfe aber wenig gefragt. Die Einsätze des Teams liessen sich an einer Hand abzählen, so Daniel Misteli. Roland Beyeler war selber einmal im Einsatz, er ging in der Migros einkaufen. Er schmunzelt: «Ich bekam nicht nur das Bargeld mit auf den Weg, sondern auch die Cumulus-Karte. Es scheint, dass die Leute Wert auf die Punkte legen.»

Eigentlich mutet diese geringe Nachfrage merkwürdig an. Es gibt ja viele ältere Leute im Hi3. «Ich vermute, dass sich viele anderweitig arrangiert haben – mit Freunden oder Angehörigen im Quartier», sagt Roland. In einigen Häusern gibt es WhatsApp-Chats, auch hier versprachen Nachbarn einander Hilfe. Dazu hatten wir das Glück, dass die Krankheit das Quartier – soweit bekannt und zum Glück – verschont hat. Hoffen wir, dass es so bleibt. Das Hilfsangebot 077 438 99 23 bleibt dennoch fürs Erste bestehen, sagt Daniel.

Maria und Anita kaufen jetzt wieder selber ein. Und Maria sagt: «Hoffen wir, dass Anita und ich Gelegenheit haben, uns in irgendeiner Form zu revanchieren.»

16. Mai 2020
Daniela Bühler